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Sehr interessant – Lejo – Nebensächlichkeiten zuerst

 

Also ehrlich, ich verstehe Lejo nur ungern. Nett ist er ja, der alte Steirer, ordentlich G´spür hat er auch, aber diese „Künstler-Kiste“... was soll ich davon halten?

Lejo ist kein Künstler, der Freunde einer Intellektualisierung von Weltperzeptionen bei der Patschhand nimmt. Entgegen wiederholter Beteuerungen seinerseits ist er aber auch keiner, der reine Ästhetik zum Zentralmotiv seines Schaffens macht. Daraus resultiert eine interpretative Instabilität, die mich als Betrachter meist ziemlich kräftig und umfassend nervt. MACH MAL KLARTEXT, LEJO! – tut der aber nicht. So bleibt die Dechiffrage immer wieder an mir hängen. Selbiger widme ich mich mit einer Mischung aus Ärger und zugleich Lust an der Herausforderung. Ein süffiger Emotionscocktail, den ich da schlürfen darf. Wofür ich Lejo offen gestanden doch Dank schulde.

Lejos Bilder sind mir am erfreulichsten konsumierbar, wenn ich darin nicht Thema, sondern Thematisierung suche. Es geht im strengen Sinn um nichts Bestimmtes in ihnen. Es darf aber niemals um nichts gehen – sonst kollabiert, was ich für Ratio halte. Folglich muss irgendwo in den verworrenen Komplex aus Kreation, Kunst(werk) und Rezeption Sinn implantiert werden. Im Zuge dieses Prozesses erfahre ich mehr über mich selbst als über die Arbeiten. Besonders verstörend oder – je nach Neigung – reizvoll, jedenfalls „sehr interessant“, macht den „Heiligen BimBam“, dass er sich jedem kanonischen Assoziations- und Verständnisresultat verweigert. Ein erneuter Blick auf die Werke kann Neues zu Tage fördern – im Detail, aber auch grosso modo. Man glaubt zu verstehen, doch schon im nächsten Moment ist alles wieder anders – oder genau dasselbe, bloß fehlt der Bezugspunkt, um diese Gleichheit zweifelsfrei feststellen zu können.

Frecherweise beansprucht Lejo einen primordialen Sinn in seinen Arbeiten, über den nicht gesprochen werden kann, aber auch nicht geschwiegen zu werden braucht. Das kennen wir schon von den Serien „Wiener Kennzeichen“ und „Hafen Albern“. Mit letzterem verbindet den BimBam zudem, dass sich darin Lejos handwerkliche Freude am Puzzle exemplifiziert. Aus Stückwerk zaubert er Stücke, aus Fragmenten Muster, aus Figuren und Szenen neue Welt(ide)en. Dabei ist er jedoch kein formaler Perfektionist, sondern opfert rigide Akkuratesse gerne dem intuitiven und zugleich spontanen Erkenntnismoment: „Ha, so funktioniert es, Punktum!“. Darum gibt es auch keine sauberen Risse, keine gemessenen Schnitte, stoßfreie Assemblage nur als Zufall.

Jedes einzelne der visuellen Atome, die Lejo zu ästhetischen Molekülen, zu archetypischen Sinn-Substanzen collagiert, ist von herzerweichender Banalität. Einst waren es Alltagsszenen, fotografisch eingefangen in Alltagssituationen von vermutlich alltäglichen Menschen mit ganz und gar alltäglichen Intentionen. Die daraus verbimbamisierten Arbeiten Lejos sind somit implizit kommentierte Apologien von Nebensächlichkeiten, in der Reorganisation veredelt zur Erinnerung an etwas, das es in dieser Form niemals zu sehen gab. Im BimBam geht Lejo viel radikaler mit scheinbar Zusammengehörigem um als noch bei „Hafen Albern“. Ohne Skrupel fragmentiert er Leiber, metzelt Gesichter hinfort oder spendiert Graphittexturen, die man erst bei genauem Hinsehen als solche erkennt. In der Wahl seiner Bildmanipulationen beweist er nach wie vor Experimentierfreude (z.B. zwischendrin, wasserfarben, zeitpunkt, kindeskind), zunehmend aber auch Souveränität im Umgang mit dem Material und was man damit machen kann (z.B. katzensprung, und links, was schönes, zwischen). Offenkundig Szenisches tritt jetzt häufiger gegenüber der Abstraktion zurück. Immer noch bildet der Mensch, konserviert in der gekünstelten, statischen Darstellungsform des Portraits ein gern genutztes Versatzstück in oder sogar Substrat von Lejos Arbeiten. Doch verstärkt sabotiert er dessen Geschmeidigkeit. Reißt, verdeckt und persifliert das Brave, bis ein Anti-Portrait daraus wird. Ein visuelles Rätsel, das zeigt, was am Sichtbaren eigentlich sehenswert ist – das Rätsel selbst. Ein visualisierter Konflikt, der zeigt, was am Nebensächlichen eigentlich hauptsächlich ist – der Konflikt selbst.

Weil nichts bleiben muss, wie es ist.

Weil nichts werden kann, was es schon war.

Und weil sowieso nichts ist, wie es scheint.

 

© Raimund Lang

 

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